Melbourne im botanischen Garten
am 25. Oct 1863.
Verehrter theuerer Herr u. Freund!
Es wird mir schwer Worte zu finden, um die Gefühle meines tiefen Dankes auszudrücken
für den neuen Beweis Ihrer herzlichen Zuneigung, indem Sie Ihren mächtigen Einfluss
geltend machten um mir eine Ehrenbezeugung von dem Herrscher Österreichs zu erwerben,
welche ich um so höher schätzen muss als ich fühle selbige so wenig verdient zu haben.
Und dazu gesellt sich noch zu dem Werth dieser Würde das erhabende Gefühl, dass ich
dies Kleinod aus
Ihren
Händen erhalten sollte. Wenn mir nun auch diese Wonne nicht direct zu Theil wurde,
so hoffe ich doch früher oder später den Tag zu erleben, wenn ich mit meinem Handdruck
und von meinen Lippen Ihnen die Gefühle meiner freundschaftlichen Huldingung erneut
darbringen kann. Also vorerst nur meinen brieflichen Dank für die zarte Weise u Herzlichkeit,
mit welcher Sie meiner gedachten. Ihr Brief hatte noch für mich einen weiteren Reiz.
Ich ersah zum ersten male daraus, dass Sie im Besitz einer Familie glücklich sind!
Ich erhielt von Ihrem Gesandten durch die Vermittlung des Herzogs von Newcastle gleichzeitig
mit Ihrem Briefe das prachtvolle Ordenskreuz, welches in Eleganz selbst dasjenige
der Ehrenlegion und des Danebrogs überstrahlt. Durch unsern Gouverneur habe ich mit
dieser Post meinen officiellen Dank an den österreichischen Minister in London ausgesprochen.
Das Wenige, welches ich für die Novara Expedition gethan gab mir wahrlich keine Ansprüche
auf die Anerkennung Ihres gnädigen Soverains, noch das Geringe was ich um die Förderung
unserer Lieblingswissenschaft gethan. Die Gnade des Kaisers und
Ihre
Güte sollen mir aber eine Ermunterung sein den wissenschaftlichen Anstalten Österreichs
u. namentlich der Ihrigen mehr nützlich zu sein als es bisher der Fall wahr. Ehrlich
gestanden mein Wille war immer gut, aber es fehlte mir oft entweder an Zeit oder an
Thatkraft energisch was ich wünschte durchzuführen. Meine Gesundheit war schwankend
nach meiner Rückkehr von der anstrengenden anderthalbjährigen entbehrungsvollen Reise
durch das tropische Australien. Kaum zurück gekehrt wurde mir die Verwaltung des wirklich
grossen Departements, dem ich vorstehe, übertragen u ich war eine Reihe Jahre gezwungen
über meine Kräfte zu arbeiten, denn mit uns in dem jungen Lande ist ja Alles Schaffen
u Gründen. Nach 10 jähriger Dienstzeit giebt mir das Gesetz das Recht auf ein Jahr
Urlaub u ich dachte im Beginn dieses Jahres an eine Erholungstour nach Europa. Selbstverstän[dlich]
würde ich mich nicht der Freude beraubt haben,
Sie
zu besuchen u zu begrüssen Da es aber meine Absicht war im Allgemeinen ein Incognito
zu bewahren, theils um Ruhe, der ich bedurfte, zu geniessen, theils um Studien ungestört
nachzuhängen und nicht in unnöthige Correspondenz u Störungen gezogen zu werden, theilte
ich bloss Sonder u Beckler meine Absicht des Kommens mit, zumal da ich noch nicht
mit Gewissheit sagen konnte, ob ich wirklich mich aus meinen Berufspflichten auf eine
so lange Zeit losreissen könne. Mancherlei Hindernisse vereitelten den Plan, u. ich
bin nun auch noch nicht einmal gewiss, ob ich im Jahr 1864 die Reise unternehmen kann,
indem dies von mancherlei Umständen abhängt, über welche ich jetzt noch keine Controlle
habe. Unter Anderm ist es schwierig für mich, Bentham meine Hülfe so lange zu entziehen,
bis die Arbeiten über die Pflanzenfamilien, welche R Br im prodromus unbearbeitet
liess, unvollendet sind. Das Material welches ich hier (obgleich nur theilweis bearbeitet)
für die Universalflora Australiens besitze, halte ich für bedeutender als Alles in
England seit Sir Jos Banks' Zeiten Angehäufte zusammen genommen, u obgleich alle Species
bestimmt sind, so ist doch von vielen keine genaue Beschreibung entworfen, durch welche
Benthams Arbeiten so sehr erleichtert würden.
Es ist sogar möglich, dass ich ehe ich meinen Besuch nach Europa ausführe, noch eine
längere Reise ins Innere Australiens unternehme, sollte ich dies unter günstigen u
Erfolg versprechenden Verhältnissen ausführen können.
Ihren Oreaden erscheine ich also als ein Alpenjäger! Als Australier habe ich auf diese
stolze Benennung wohl einigen Anspruch, denn in nicht weniger als 7 verschiedenen
Richtungen u zu 7 verschiedenen Zeiten habe ich diese majestätischen Ketten des Australlandes
durchwandert,
alle
hauptsächlichen Punkte meist zuerst erstiegen, manche der Berge zuerst ihre Namen
u ihre geographische Position gegeben und
alle
Alpenpflanzen kennengelernt. Auf einer dieser Touren war ich wochenlang mit den Pferden
allein
in diesen pfadlosen Gebirgen. Ich bedauere es fast, Ihnen mein Bildchen gesandt zu
haben, da ich zur Zeit der Anfertigung recht leidend war. Ich muss Ihnen ein anderes
senden.
Da ich Bentham das sämmtliche Material für seinen 2 Band übersandt (gegen 150 starke
fascicle, hauptsächlich Leguminosen) wird es mir möglich sein, si fata velint, Ihnen
eine tüchtige Kiste voll Dubletten für Ihre schöne Anstalt zusammen zu suchen. Ich
habe einen Sammler in den hohen Berggegenden Nordaustraliens, der manches Schöne,
was auch für Vergleich mit der Vegetation Indiens oder den Inseln des stillen Weltmeeres
Werth hat, bringen wird u wovon ich bereitwillig einen Theil zu Ihnen senden werde.
So erhielt ich von ihm neulich ein
, welches von den zwei von Labillardiere abgebildeten Arten Neu-[Cale]doniens
verschieden [ist und]
uns die Familie der Brexiaceen für die Flora Australiens giebt, wenn solche wirklich
von den Saxifrageen im weiteren Sinne getrennt werden kann.
Herzlichen Dank für die Übersendung des Becklerschen Briefes
Mit inniger Zuneigung u Verehrung, theuerer Herr Professor Fenzl, bleibe ich der Ihre
Ferd. Mueller
Mit dem Schiff "Monarch" sandte ich Anfangs September eine Kiste an Dr Sonder, welche
für Sie die fehlenden Fragmenta, die vollständige Reihe der Bände unserer Royal Society
u eine Samensammlung enthält, für Prof Haidinger eine Karte auf welcher der Haidinger
Range angemerkt ist u für Dr Scherzer eine Anzahl statistischer Schriften u verschiedene
von selbigem gewünschte Abhandlu[ngen.]
Melbourne Botanic Garden,
25 October 1863.
Revered dear Sir and friend,
It is becoming difficult for me to find words with which to express my sentiments
of deep gratitude for the new proof of your sincere affection, by having used your
mighty influence to obtain for me an honour from the Austrian Monarch,
which I appreciate all the more, as I feel so undeserving of it. Added to the value
of this dignity is the exalted sentiment that I was meant to receive this jewel from
your
hands. Even though I did not experience this pleasure directly, I do hope I will
live to see the day sooner or later, when I can render you once again my feelings
of friendship and homage with my handshake and from my own lips. So for now just my
written thanks for the sensitive manner and the sincerity with which you remembered
me. Your letter held for me a further interest. For the first time I realised from
it, that you are happy in possessing a family! Together with your letter, I received
from your Minister through the agency of the Duke of Newcastle the magnificent cross
of the Order, which surpasses in elegance even that of the Legion of Honour and of
the Dannebrog Order.
By this mail I have expressed my official thanks to the Austrian Minister in London
through our Governor.
The little I did for the Novara expedition
hardly gave me any claims to recognition by your gracious Sovereign, nor the little
I did for the promotion of our favourite science. The graciousness of your Emperor
and
your
kindness will, however, serve as an encouragement to me to be of more benefit to
the scientific institutes of Austria, especially yours, than has been the case so
far. To tell you the truth, my will has always been good, but I often lacked either
the time or the energy to carry out with vigour what I wanted to do. My health was
precarious after my return from the strenuous one and a half year journey, full of
privations, through tropical Australia.
Barely returned, the management of the really large Department over which I preside
was assigned to me, and for a number of years I was forced to labour beyond my strength,
for here in our young country it is all labouring and establishing. After 10 years
in office the law entitles me to a year's leave, and at the beginning of this year
I was thinking of a holiday voyage to Europe. It goes without saying, that I would
not have denied myself the pleasure to visit and greet
you
. As I had intended to remain generally incognito, partly to enjoy the rest I needed,
partly to follow studies undisturbed and without becoming involved in unnecessary
correspondence and disruptions, I had notified only Sonder and Beckler of my intended
visit, especially as I could not say with any certainty, whether I would be able to
tear myself away from my professional duties for such a long period. Various obstacles
thwarted the plan, and now I am not even sure, whether I shall be able to undertake
the voyage in 1864, as this depends on a variety of circumstances over which I have
no control at present. Apart from other matters, it is difficult for me to withdraw
my assistance from Bentham for so long until the work on the families of plants, which
Robert Brown left untreated in his Prodromus,
has been completed. I consider the material (though only partly worked through) that
I possess here for the universal Flora of Australia
more significant than everything that has been accumulated in England since Sir Joseph
Banks' time taken together, and although all the species are identified, no precise
description has as yet been drawn up that would make Bentham's work so much easier.
It is even possible that, before I carry out my visit to Europe, I might undertake
a longer expedition into the interior of Australia, should it be possible to carry
this out under favourable conditions that promise success.
So I appear like an alpine huntsman to your Oreadae!
As an Australian I probably have some claim to this proud title, because I have wandered
through these majestic mountain ranges of Australia in no less than 7 different directions
and at 7 different times, have been mostly the first to climb
all
of the major peaks, have named many mountains and established their geographical
positions, and have come to know
all
the alpine plants. On one of these trips I was for weeks
alone
with the horses in these trackless mountain ranges.
I almost regret, that I sent you my small photograph, as I was rather ill at the
time it was taken. I must send you another one.
As I have sent Bentham all of the material for his second volume (about 150 thick
folders, mostly of
), it will be possible, if fate permits, to sort out for you a large case filled with
duplicates for your fine institute. I have a collector in the high mountain areas
of northern Australia,
who will bring back many beautiful things that will also be of value for comparison
with the vegetation of India or the islands of the Pacific Ocean, and of which I shall
be happy to send a portion to you. Thus I recently received from him an
that differs from the two species from New Caledonia illustrated by Labillardière,
and gives us the family
for the flora of Australia, if that can really be separated from the
in a broader sense.
Sincere thanks for forwarding Beckler's letter.
With sincere affection and respect, dear Professor Fenzl, I remain your
Ferd. Mueller.
At the beginning of September I sent a case to Dr Sonder in the ship “Monarch” that
contained the Fragmenta you were lacking, a complete series of the volumes of our Royal Society, and a collection
of seeds for you, for Professor Haidinger a map on which the Haidinger Range
has been marked, and for Dr Scherzer a number of statistical publications and various
papers requested by him.