Melbourne, im bot. Garten,
am 25 Juli 64.
Edler Herr,
Es liegt für mich ein unnennbar freudiges Gefühl in dem Bewusstsein, mich, wenn auch
so gering, bei der Feier Ihres schönen Festes betheiligt zu haben. Es ist die Ehre
meine, mich unter denen zählen zu dürfen, die Ihnen, Verehrtester, den glorreich errungenen
Lorbeerkranz zum Schmuck Ihres ehrwürdigen Hauptes überbrachten. Wie herrlich wäre
es für mich gewesen, hätte ich Ihnen früher näher stehen können im Leben, um mich
von dem Licht Ihres weitdringenden Wissens erleuchten zu lassen und damit belebter
u. kenntnisvoller auf meine Bahn gelenkt zu werden. So sei es mir wenigstens vergönnt
mit Ihnen in für mich freudiger u. belehrender Verbindung zu bleiben.
Um wenistens bis zu einem gewissen Grade mein Versprechen zu lösen, habe ich mit dem
Schiffe Suffolk im Beginn dieses Monats eben 1400 trockne Pflanzen an Sie abgesandt,
solche der Obhut des Doctors Sonder vertrauend, um von Hamburg aus weitergesandt zu
werden. Es ist freilich wohl die Mehrzahl der Arten bereits in Ihrer grossartigen
Sammlung vertreten; indessen sind die jetzt gesandten Pflanzen doch wohl meistens
von entlegenen Standorten oder zeigen andere Formen. Allgemach, wenn ich die Sammlungen
für den Gebrauch Benthams zurichte, würde ich Anderes u Besseres nachliefern; und
wenn Sie aus einer besonderen Gattung oder Familie, das was ich besitze zu erlangen
wünschen, bitte ich Sie es mich wissen zu lassen, damit es gleich gesandt werde.
Seit einigen Wochen bin ich an einer kleinen Arbeit über die Pflanzen der Chatham
Inseln beschäftigt. Critisch in die Untersuchung der Arten [eindringend], bin ich
gezwungen selbige in manchen Fällen sehr zu verringern. So habe ich nicht nur alle
Epilobien Neu Seelands (trotz dessen dass Dr Hooker dort allein 14 Arten aufstellt)
auf eins (E. tetragonum ) zurückzuführen müssen, sondern auch alle übrigen Epilobien
der südlichen Hemisphaere zu dieser Art bringen müssen. Meine Sammlung Neu-Seeländischer
Pflanzen ist so gross, dass ich diese Reduction mit Sicherheit habe vornehmen können,
u selbige stützt sich auf eine sorgfältige geduldige Zergliederung einer grossen Menge
Pflanzen u zudem auf die vieljährige Beobachtung dieses Epilobium in freier Natur
sowohl in den heissen Niederungen als in den Schneegürteln unserer Alpen.
Um ein anderes Beispiel hinzustellen bemerke ich, dass 14 in der Flora Neuseelands
aufgestellte Veronica Arten, alle als Spielformen einer Art, die ich V. Forsteri nenne
angesehen werden müssen. Von dieser bildet V. salicifolia die Waldform, V. decussata (oder elliptica) die Alpenform oder diejenige varietät welche an der dem Sturm ausgesetzte
Felsküste entspringt. Die Kette der Übergänge ist vollständig. Auch V. Fonki Philippi
gehört zu dieser Art, wie die Pflanze am Chonos Archipel zeigt.
In meinem letzten Briefe trat ich als Bittender vor Sie, edler Herr, hin, nicht für
mich aber für 2 Freunde u wohlverdienende Männer der Wissenschaft. Ich bat um die
Aufnahme des Herrn Dr Julius Haast, des Neuseeländischen Geologen, in die Akademie
der Carol. Leop. u für Mr G. H. K. Thwaites, dem verdienstvollen Forscher der Diatomeen
u. ausgezeichnete Untersucher der Pflanzen Ceylons um die phil. Doctorwürde. Könnte
Beides durch Ihren gewaltigen Einfluss erreicht werden? Gewiss, wenn Sie diese Männer
Ihrer Huld werth halten. — Beide würden dankbar sein u aus ihren Pflanzensammlungen
viel Schönes Ihnen liefern können.
Bevor ich für diesmal scheide, wage ich noch einmal die Frage aufzuwerfen: Hat nicht
das fast allgemeine Vorkommen der Wandelbarkeit der Arten Darwins u seiner Anhänger
zu dem unglücklichen Irrwahn geführt, dass es überhaupt in der Natur keine festen
Schranken unter ihren Formen gäbe? — Ich finde wenn ich die Epilobien der Erde auf
etwa 4 oder 5 zurückführe, dass die Grenzen bestimmt sind; jedenfalls giebt es in
der ganzen südlichen Hemisphäre keine Übergänge von
(in meinem Sinne angenommen) zu irgend einer anderen mir bekannten Pflanze. Lassen
sich nicht aus solchen Thatsachen Schlüsse ziehen, die den verderblichen entmuthigenden
Thesen der Transmutations Theory entgegen treten. Ich habe mit dem frommen geistreichen
wackeren u selbstständig arbeitenden immer thätigen Sir Will. Denison diese inhaltsschwere
Frage vielfach erwogen u wir beide theilen durchaus dieselbe Ansicht, der Gouverneur
solche mehr vom Standpunkt der philosophischen Theologie, ich selbige [...]
Melbourne, Botanic Garden,
25 July 1864.
Noble Sir,
There is for me an indescribably happy feeling in the knowledge of having participated,
no matter how insignificantly, in the celebration of your beautiful feast day.
The honour is all mine, to have been permitted to be counted among those, who presented
to you, revered Sir, the gloriously attained laurel wreath to decorate your venerable
brow. How marvellous it would have been for me, could I but have been closer to you
earlier in life, to be illuminated by the light of your comprehensive knowledge, and
so have been directed in my path, more alert and knowledgeable through it. At least
let it be granted to me, to remain in this communication with you that is so joyful
and instructive for me.
I have dispatched 1400 dried herbarium specimens to you by the ship Suffolk at the beginning of this month, in order to discharge my promise to you at least
to some degree. I am entrusting them to the care of Dr Sonder to forward them from
Hamburg. The majority of the species will probably be already represented in your
magnificent collection; however the plants now sent are mostly from more distant localities
or display different forms. Gradually, as I prepare the collections for Bentham's
use,
I will be able to send subsequently something different and better. If you wish to
obtain something I have of a particular genus or family, I ask you to inform me and
it will be sent immediately.
For the past few weeks I have been occupied with a small work on the vegetation of
the Chatham Islands.
Critically entering into the examination of the species I am forced in many cases
to reduce them considerably. Thus I not only had to reduce
all
the Epilobium species of New Zealand to just
one
(E. tetragonum) (in spite of Dr Hooker alone having erected 14 species there), but also had to bring
all the other Epilobiums of the southern hemisphere under this species. My collection
of New Zealand plants is so large, that I could undertake the reduction with certainty,
and it is based on a careful and patient dissection of a large number of plants, and
in addition on many years of observation of this Epilobium in the field, in hot plains as well as in the snow belts of our alps.
To demonstrate by another example, I want to remark that 14 species of Veronica, erected in the Flora Novae-Zelandiae,
must all be considered forms of one species, which I call V. forsteri. Of this V. salicifolia represents the forest form, V. decussata (or elliptica) the alpine form or that variation that emerges on the rocky coasts exposed to storms.
V. Fonki Philippi also belongs to this species, as is shown by the plant found in the Chonos
Archipelago.
In my last letter
I came before you as a supplicant, noble Sir, not for myself, but for two friends
and deserving men of science. I asked for the election of Dr Julius Haast, the New
Zealand geologist, into the Academy of the Carolinae-Leopoldina, and for a doctorate
of philosophy for Mr G. H. K. Thwaites, the meritorious researcher of diatoms and
excellent investigator of the vegetation of Ceylon. Could both be achieved through
your enormous influence? I am sure of it, if you would consider these men worthy of
your favour. — Both would be grateful and could supply many beautiful specimens to
you from their collections.
Before I take my leave for today, I once more take the liberty to raise the question:
Does not the almost general occurrence of the transmutation of species of Darwin and
his followers lead to the unfortunate delusion, that in nature there exist no definite
limits in its forms? — I find that, when I reduce the Epilobium species of the world to about 4 or 5, the limits are definite; certainly there are
no transitions in the whole of the southern hemisphere from
(taken in my sense) to any other plant known to me. From such facts, cannot conclusions
be drawn that oppose the pernicious discouraging theses of the transmutation theory?
I have frequently considered this significant question with the pious, talented, capable,
and always independently working Sir William Denison, and we both share the same opinion,
the Governor more from the point of view of philosophical theology, I from [...]