Hamburg d. 6 Febr 69
Lieber Freund,
Gewiss haben Sie schon lange nach einem Briefe von mir ausgesehen, der, ohne eine
heftige Erkältung, die mich 14 Tage ans Zimmer fesselte, längst in Ihren Händen gewesen
wäre. Die in den ersten Wochen des Januar in meinen Besitz gelangende grosse Kiste
aus Australien musste unangerührt in meinem Keller stehen, bis ich am vergangenen
Sonntag endlich von meinem Arzt die Erlaubnis erhielt, die Auspackung oder vielmehr
Umpackung vorzunehmen. Nachdem ich nun die zahlreichen Pakete mit Sämereien für die
botanischen Gärten und Drucksachen abgenommen, habe ich es für zweckmässig erachtet,
Ihnen Ihren Antheil in zwei Kisten zu übermitteln. Die eine enthält eine Menge schöner
Mineralien, ausser einigen andern hauptsächlich eine grosse Anzahl Kupfererze aus
den neuen Gruben der Halbinsel York in Nordaustralien. Die Sammlung ist ebenso interessant
als selten, es wird wohl noch kein Museum etwas davon besitzen. Mit den Doubletten
werden Sie mehrere Museen bereichern können. Dann sind in derselben Kiste ein Kasten
mit Fischhäuten, wovon ich nichts verstanden habe, ausserdem mehrere Pakete mit Seespongien
u einer Anzahl Bücher u Drucksachen. Die zweite Kiste enthält ein grosses Bündel mit
Vogelbälgen. Ob dieses Bündel, in braun Packpapier gewickelt aus Neuseeland ist? Das
werden Sie bald aus dem Inhalt erkennen. Ich schliesse es daraus, dass Dr Mueller
mir vor einiger Zeit schrieb, er erwarte eine Anzahl Vogelbälge aus Neuseeland. —
Die übrigen loose beigepackten Vogelbälge sind aber aus Südaustralien, sie sehen besser
aus als die früheren u mögen etwas Ihnen Erwünschtes enthalten. Der übrige Theil der
Kiste ist mit Drucksachen u ein oder zwei kleinen Kisten mit Conchylien so wie mit
einigen Schädeln erfüllt. Die Menschenschädel sind von einem jetzt völlig ausgestorbenen
Stamme vom Richmondriver. — Prof. Keferstein wollte gerne einen davon haben, er mag
sich aber an Sie wenden. Der Tiger oder Jaguarschädel aus Ostindien schein sehr schön
zu sein. Welchem Thier der andere Schädel angehört, vermag ich nicht zu sagen.
Nun habe ich noch einige Hefte mit Australischen Ansichten (den Schluss derselben)
von Eugene Guerard, wovon Sie schon einige erhielten, nebst einigen Photographien
und eine ganze Anzahl Hefte des ornithologischen Werkes von Diggles, die ich mit der
Post nachschicken werde, da sie nicht in die Kiste passten. Das eine Textblatt des
ornitholog. Werkes hat einen kleinen Einriss, den es wahrscheinlich beim Öffnen der
Kiste in England, wo man oft ganz liederlich mit den Sachen umgeht, erhalten; von
Bedeutung ist es aber nicht. — Ich denke diese werthvolle Sendung wird Ihnen Freude
machen, welches unserm Freunde in Australien sehr angenehm sein wird.
Einliegend finden Sie eine Liste von Fischen, die wahrscheinlich auf die voriges mal
erhaltenen Fische sich bezieht. — Das ausgestopfte Crocodil welches Sie erhielten
— ein junges Thier — war aus Nordaustralien — im Süden kommen sie nicht vor. — Wenn
das Skelett des Ihnen im vergangenen Jahre gesandten Australiers mangelhaft war, so
hoffe ich, wird das nun erfolgende besser sein. Ich habe keine zu dem ersteren fehlenden
Knochen, ich freue mich immer wenn ich diese Art Sachen aus dem Hause los bin. — Die
Macrozamia aus
Westaustralien
heisst Macr. Preissii Miquel. Die
sowie Dicksonia oder jetzt
sind aus der Provinz Victoria. Ich bin sehr gespannt ob die Todea angekommen ist,
es ist ein sehr werthvolles Stück. Wenn Ihrem Hofgärtner, dem ich Palmensamen besorgen
werde, sehr daran liegt noch einen grossen Stamm von Dickson (Balant) antarctica zu
erhalten, so will ich ihm einen besorgen. Ich habe einige zurückbehalten die ich bei
einem hiesigen Gärtner eingesetzt habe, die ich aber zu der hier im Herbst stattfindenden
grossen Ausstellung behalten möchte; nachher soll ich sie doch weiterschicken.
Ich mache unsern Freund immer auf Ihre speciellen Wünsche aufmerksam, er ist aber
nicht immer Herr der Sache. Es lassen sich dort keine bestimmten Gegenstände kaufen,
es giebt dort keine Händler für naturhistorische Gegenstände. Müller kauft sie wenn
ein Reisender oder Binnenländer etwas nach Melbourne bringt, oder er bestellt sie
u muss dann doch nehmen, was man ihm sendete. In den letzten Jahren sind keine Expeditionen
gewesen, so wie die stattfinden, giebt es auch immer etwas Neues u Seltenes. Schütten
Sie Ihr Herz nur gegen Müller aus, Sie können ihn Alles besser fragen als ich! Sie
können seinen Vorzügen u seinen Leistungen doch dabei Gerechtigkeit widerfahren lassen.
— Wenn er so verschiedene Sachen in Spiritus geschickt hat, die nicht hineingehören,
so müssen Sie bedenken, dass es in den subtropischen Gegenden u bei den Reisen in
unwirthbare Länder oft nicht anders möglich ist, die Gegenstände zu conserviren. So
ist es der Fall mit den Sachen die Dallachi bei Port Denison u Rockinghamsbay gesammelt
hat. Der Mann sammelt fast nur für Dr Müller u ist kein Sachkenner, aber unendlich
thätig inmitten der unendlichen Beschwerden u Mühseligkeiten. — Ich denke Sie sollen
trotz mancher Mängel doch mit der Zeit das grösste australische Museum auf dem Kontinent
erhalten.
Wissen sie nicht, ob auch an Dr Müller über den Eingang des Geldes eine Anzeige gemacht
ist? Ich habe ihm natürlich angezeigt, dass ich eine Quittung von den Kassen erhalten
habe. Da Sie ihm, wie Sie äusserten, selbst geschrieben haben, so haben Sie auch wohl
einige Worte darüber einfliessen lassen. — Die Bestimmungen des Stipendiums werden
Ihnen wohl viele Mühe gemacht haben. — Als Sie im vorigen Herbst in Berlin waren,
hätten Sie in 7 Stunden nach Hamburg kommen können, das Sie gegen früher sehr verändert
gefunden haben würden!
[...]
Vor einiger Zeit besuchte mich der jetzt in Dresden wohnende Dr Eulenstein, um Diatomaceen
zu sehen. Er war sehr liebenswürdig! Er ging von hier über Copenhagen nach Lund u
kehrte dann wieder hierher zurück. Er wollte gerne wissen, wie Dr Müller dazu käme,
soviel nach Stuttgart zu schicken, worauf ich natürlich keine Antwort wusste.
Die beiden Kisten sind gestern frankirt und pr Eisenbahn abgegangen. Hoffentlich kommen
sie früh genug an, dass Sie mir bis zum 24 Februar eine einfache Anzeige davon machen
können, um in meinem Brief nach Australien deren erwähnen zu können.
Mir bestem Gruss
Ihr
W. Sonder
Hamburg 6 Febr [18]69
Dear Friend,
You certainly have looked out for a letter from me for some time already, which should
have been in your hands long ago if it weren't for a severe cold chaining me to my
room for 14 days. The large crate from Australia that arrived into my possession in
the first week of January had to remain untouched in my cellar, until last Sunday
I finally received permission from my physician to carry out the unpacking or rather
repacking. After I took out the numerous packets with seeds for the botanical gardens
and printed matter, I have deemed it advisable to send you your share in two crates.
One contains a large number of beautiful minerals, besides some others mainly a large
number of copper ores from the new mines of York Peninsula in North Australia.
You will be able to enrich several museums with the duplicates. The collection is
just as interesting as rare. Probably no museum will yet have any of them.
Then in the same crate a box with fish skins, of which I understand nothing, besides
several packets with sea sponges and a number of books and printed matter. The second
crate contains a large bundle with bird skins. I wonder if this bundle wrapped in
brown packing paper is from New Zealand? That you will soon ascertain from the contents.
I conclude from what Dr Mueller wrote to me some time ago that he expected a number
of bird skins from New Zealand. — The remaining loosely enclosed bird skins are, however,
from South Australia. They look better than the previous ones and may contain something
desired by you. The remaining part of the crate is filled with printed matter and
one or two small boxes with shells as well as some skulls. The human skulls are from
a now completely extinct tribe from the Richmond River.
— Professor Keferstein would like to have one of them, but he may turn to you. The
tiger or jaguar skull from the East Indies seems to be very beautiful. I am not able
to say to what animal the other skull belongs.
Now I still have some parts with Australian views (the conclusion of them) by Eugene
Guerard,
of which you already have received some, together with some photographs and a whole
number of parts of the ornithological work of Diggles,
which I will forward by post, because they are not suitable for the crate. One of
the text pages of the ornithological work has a small tear, which it probably received
in opening the box in England where they often handle things sloppily, but it is no
of significance. — I think this valuable consignment will bring you pleasure, which
will be very agreeable to our friend in Australia.
Enclosed you will find a list of fishes that probably refers to the fishes received
last time. — The stuffed crocodile that you received — a young animal — was from North
Australia — they don't occur in the south. — If the skeleton of the Australian sent
to you last year was unsatisfactory, I hope the one now following will be better.
I do not have anything from the first one lacking bones. I am always glad when this
kind of item is out of the house. — The Macrozamia from
Western Australia
is called Macr. preissi Miquel. The
as well as Dicksonia or now
are from the province of Victoria. I am very anxious whether the Todea has arrived. It is a very valuable item. If your court gardener, for whom I will
procure palm seeds, is still very anxious to get a large trunk of Dicksonia (Balantium) antarctica, I will procure one for him. I have kept some back, which I have placed with a local
gardener, but which I would like to keep for the great exhibition to take place here
in autumn. Afterwards I shall send them on.
I always draw our friend's attention to your special requests, but he is not always
master of the situation. Particular items cannot be purchased there. There are no
dealers there in natural history objects. Mueller purchases them when a traveler or
an inlander brings something to Melbourne, or he orders them and then must really
take what is sent to him. In the last few years there have been no expeditions, as
soon as they take place there is always something new or rare. Just pour out you heart
to Mueller, you can ask him for everything better than I! You can at the same time
do justice to his merits and his achievements. — When he has sent such different things
in spirit that do not belong in it, you must consider that in the subtropical regions
and with travellers in inhospitable countries it is often not otherwise possible to
preserve the objects. Such is the case with the things that Dallachi
has collected at Port Denison and Rockingham Bay.
The man collects almost only for Dr Mueller and is no expert, but interminably active
in the midst of endless troubles and hardships — In spite of many a shortcoming I
think you shall with time get the largest Australian Museum on the Continent.
Do you not know whether a report has been made to Dr Mueller about the receipt of
the money? Of course I have notified him that I have received a receipt from the Treasury.
Since you have yourself written to him, as you said, you have probably mentioned some
words about it in passing. — The regulations of the scholarship will probably have
given you much trouble. — When you were in Berlin last autumn, you could have come
to Hamburg in seven hours, which you would have found changed very much compared with
formerly!
[…]
Some time ago, Dr Eulenstein, who now lives in Dresden, visited me to see diatoms.
He was very amiable! He went from here to Lund via Copenhagen and then returned here.
He wanted to know how Dr Mueller came to send so much to Stuttgart, for which of course
I had no answer.
Both the crates were prepaid yesterday and go off by train. It is to be hoped they
come early enough for you to make a simple report to me by 24 February in order to
be able to mention them in my letter to Australia.
With best greetings
your
W. Sonder