Privat
13/7/85
Die letzte Post, hochgeehrter Herr Professor, brachte mir Ihren freundlichen Brief
v. 31 Mai u. auch das begleitende Circular-Schreiben. Es bedarf wohl nicht meiner
Versicherung, dass ich Ihrem schönen Unternehmen gern nützlich sein werde, soweit
ichs vermag. Pflanzen-Familien, die Australien ganz oder fast ganz angehören, will
ich gern bearbeiten, z. B. die Myoporinen, Tremandreen, Pittosporeen, Candolleaceen,
Stackhousiaceen. Die neue Ausgabe meiner "select plants", welche für die Colonial-Ausstellung
in London erscheinen wird, könnte ja auch Ihrem Werke zu gut kommen; u ich würde es
auch erlauben, unter Angabe der Quelle, dass Abbildungen aus meinen hiesigen Werken
in Xylography copirt würden, wie es bei Schnitzleier schon begann. An
einem
Felsen scheitern manche derartiger Unternehmungen, daran dass der Plan
zu grossartig
und zu
weitgreifend
gefasst wird. Mir scheint, ein Werk wie Lindley's vegetable Kingdom wäre das beste
Vorbild mit Ausdehnung der Illustrationen etwa wie bei Maout u Decaisne. Ein Werk
wie Baillon's ist schon veraltet ehe es zu Ende kommt (êntre nous); u
wann
kommt es zu Ende? Ist es besser, ein kleineres Werk zu liefern, und es durch neue
Auflagen neu zu erhalten?
Zu
grosse Werke sind auch viel zu kostbar für das allgemeine Publicum u nicht tragbar
auf Reisen. So wird es mit Prof Kirchhoff's geogr Werck "Unser Wissen von der Erde"
sein. —
Mir scheint, dass für genera doch wohl Jeder B. & H. oder auch noch den immer ausgezeichneten
Endlicher zu Rathe ziehen würde.
Eine
besondere Schwierigkeit entsteht,
diese
: welche Sequenz soll beobachtet werden in der Anordnung der Familien? Ich habe nach
vielen Nachdenken und endlosen Vergleichen zu keinem anderen Resultat kommen können,
als dass das Syst von D.C. oder das umgekehrte Original-System von Jussieu das
beste
bleibt, nur müssen die
oder Apetalae vertheilt werden anderweitig ausser Coniferen. Ich kann mich auch noch
gar nicht mit dem Gedanken befreunden, dass die Coniferen den Filices nahe stehen.
Man beobachte doch nur die Keimung. Hat sich die Beobachtung über die Entwicklung
eines prothallus mit Archegonien im Embryoschlauch wirklich bestätigt? Liegt nicht
vielleicht eine sehr verzeihliche Missdeutung vor, wie bei der Idee, dass die Lichenen
aus einer Zusammensetzung von Algene u. Pilze bestanden?
Sie
sind gewiss in der Lage gewesen,
selbst
diese Beobachtungen zu prüfen; mir hat es an Zeit u besonderer Übung zu
solchen
Untersuchungen, ja auch den besten Instrumenten gefehlt. Geben Sie mir doch gütig
Ihre Ansicht auch hierüber, denn ich bin immer offen für Belehrung, u. auch gern bereit
meine Anschauungen zu ändern nach zu länglichen Beobachtungen.
Sehen Sie sich, bester Freund, doch auch
noch einmal ruhig meinen Census an
, u. sagen Sie mir gütig, was der darin angenommenen Anordung entgegensteht; bis zum
gewissen Grade ist sie loyal für D.C. Wäre nicht etwas Ähnliches im Embryosak anderer
Dicotyledenen zu entdecken?
Sie haben mich ausserordentlich durch die Original-Belege der Aroideen verpflichtet;
die
haben Werth für Alle Zeiten. Demnächst soll auch wieder ein Packet au[s]erlesener
australischer Pflanzen an Ihr Museum abgehen.
Die Ermittlung der Gattungen nach einem kurzen Schlüssel nützt nicht viel, da man
dann zum Stillstand kommt, u. nichts über die Art weiss, wie man dies beim Gebrauch
von Baillon's Monographien empfindet. Die Berechnung der Arten ist auch eine schwierige
u. gewagte, seit die meisten Naturforscher überhaupt gar keine Stabilität von Arten
anerkennen. In der That wäre es gut, wenn man die Fixität der Arten nicht mehr anerkennt
auch den Ausdruck von Species ganz aufzugeben u. nur von Formen zu reden, oder Bastarden
oder Varietäten. Welche Divergenz in der Calculation der Arten der Meliaceen selbst
in wenigen Jahren, seit H. & B. u dann A de Candolle die Arten-Zahl berechneten! H.
& B. schrieb ich von Anfang an, dass Species …
notae
gesagt werden müsse; denn in vielen Gattungen wird der Zuwachs ja noch enorm sein,
z. B. aus Central Africa den Sunda-Inseln, Neu Guinea, selbst Brasilien u andern central-amerikanische
Ländern.
Ein
Vorläufer
eines grösseren Werks wäre — so scheint es mir — am Besten
jetzt
. Am Ende Jahrhunderts oder in Beginn des nächsten, könnte dann eher etwas
Erschöpfendes
geliefert werden
Ganz der Ihre
Freundschaftlich
Ferd. von Mueller.
Würden Sie nicht gelegentlich ein Schema der Verwandtschaft der Pflanzen-Familien
nach
Ihren
eignen reichen Erfahrungen geben? Ich habe auch Baillon um die Aufstellung eines
Systems nach seinen eignen Ideen gebeten. Absolut lässt sich freilich die Stellung
mancher Familien nicht fixiren in einreihiger Linie, wie solche für Bücher nöthig
ist, da ja die Verwandtschaft radial bleibt. Das ist aber das Schöne der Anlage eines
bot. Systems in einem Garten, wie ich es B. de Juss schon 1857 hier nachahmte, dass
man den vielseitigen Affinitäten gerecht werden kann. In meinem "Census" werde ich
gelegentlich noch einige kleine Änderungen machen in Bezug auf die verwandtschaftliche
Stellung einiger Familien; aber ich denke doch, dass im Allgemeinen ich nicht viel
zu ändern habe, u. an der Verschmelzung der perigynae u epigynae halte ich fest. Schade,
dass B. & H. meinen Rathe in 1862 nicht folgten, die Monochlamydeen den andern Familien
zuzustellen nach respectiven Erfordernissen. Man sieht die Nothwendigkeit dafür recht
bei den Curvembryonaten (od. Amyliferen).
Würden Sie gütig einige Körner frisch von
in Ihrem nächsten Brief beifügen,
habe
ich hier naturalisirt.
Auf geldliche Zahlung für etwaige Beitrage wurde ich keine Ansprüche machen.
Soll die Synonyme der Gattungen auch vollständig berücksichtigt werden
13/7/85
The last post, highly esteemed Professor, brought me your friendly letter of 31 May
and also the accompanying circular letter.
It probably does not require my assurance that I will gladly be of use to your excellent
enterprise, as far as I am able. I will gladly work up plant families, which belong
entirely or almost entirely to Australia, for example the
,
,
,
,
. The new edition of my Select Plants,
that will appear for the Colonial Exhibition in London,
could certainly also be beneficial to your work and I would also permit, with acknowledgement
of the source, illustrations from my local works to be copied in xylography,
as it has already begun at the engraver's. Several undertakings of such a kind foundered
on
one
rock, in that the plan was conceived too
grandiosely
and too
far reachingly
. It seems to me a work such as Lindley's Vegetable Kingdom
would be the best model with expansion of the illustrations somewhat like Maout and
Decaisne.
A work such as Baillon's
is already obsolete before it comes to an end (entre nous) and
when
will it be finished? Is it better to produce a small work and to keep it updated
by new editions?
Too
large works are also much too costly for the general public and not easy to carry
on journeys. So it will be with Prof. Kirchhoff's geographical work Unser Wissen von der Erde.
It seems to me that for genera each one would probably consult H. & B.
or even the always outstanding Endlicher.
One
particular difficulty arises,
this
: what sequence is to be observed in the arrangement of the families? After much thought
and endless comparison I have been able to come to no other result than that the system
of D.C.
or the inverted original system of
Jussieu
remains the
best
, only the
or Apetalae must be divided in some other way without the Conifers. I can also still
not reconcile myself at all with the idea that the Conifers stand near the Filices.
After all only the germination was observed. Is the observation about the development
of a prothallus with archegonium in the embryo tube really confirmed? Is there not
perhaps a very excusable misinterpretation, as with the idea that the lichens consist
of a combination of algae and fungi?
You
certainly have been in the position to check these observations
yourself
. I lack the time and the special experience for
such
investigations, indeed even the best instruments. Do kindly give me your opinion
about this, as I am always open to instruction, and also gladly prepared to change
my views according to prolonged observations.
Do
calmly look over my
Census
again
, best of friends, and kindly tell me what is opposed to the arrangement adopted in
it. Up to a point it is loyal to D.C. Would not something similar be discovered in
the embryo sac of other dicotyledons?
You have put an extraordinary obligation on me by the original documents of the
;
which
have merit for all time. Shortly a packet of selected Australian plants is to again
go off to your museum too.
The determination of genera according to a short key is not much use, because one
then comes to a standstill and knows nothing about the species as one feels in using
Baillon’s monograph.
The determination of species is also a difficult and bold one, since the majority
of naturalists recognise absolutely no stability at all of species. In fact it would
be good if the fixity of species was no longer recognised even giving up the expression
of species completely and only speaking of forms, or bastards or varieties. What a
divergence in the calculation of species of
even in a few years, since Hooker & Bentham and then A. de Candolle determined the
species number! I wrote to Hooker & Bentham from the beginning that species …
notae
must be said because in many genera the growth will still be really enormous, e.g.
from Central Africa, the Sunda Islands, New Guinea, even Brazil and other Central
American countries.
A
precursor
of a larger work would — it seems to me — be best
now
. At the end of the century or at the beginning of the next, a somewhat
exhaustive one
could then be produced.
Entirely yours
Ferd. von Mueller
Would you not give some time a scheme of relationship of plant families according
to
your
own rich experiences? I have also asked Baillon
to put forward a system according to his own ideas. Absolutely of course the place
of many families does not allow fixing in a straight line, as is necessary for books,
because the relationship certainly remains radial. But that is the beauty of the layout
of a botanical system in a garden, as I imitated B. de Jussieu here as early as 1857,
that one can do justice to the manifold affinities. In my Census I will at times make in addition some small changes in respect to the relational
position of some familes, but I do think that in general I have not much to change
and I hold fast to the merging of the perigynae and epigynae. A pity that Bentham
& Hooker did not follow my advice in 1862 to distribute the
to the other families according to the respective requirements.
One sees the necessity for this properly in the
(or
).
Would you kindly add some grains fresh from
in your next letter. I
have
naturalised
here.
I would make no claims for monetary payment for any possible contributions.
Shall the synonyms of genera be completely considered as well.