Millswyn-Street, South Yarra, 26. Aug. 1873.
Nachdem ich wahrgenommen, edler Freund, dass Ihre wichtige Abhandlung über eine Form
der Wurzelfäule des Getreides von der L.S. zu dem Ausdruck von mancherlei Meinungs-Verschiedenheit
Anlass gab, so halte ich es für meine Pflicht, Ihnen alsbald einige Auseinandersetzungen
über den Pilz, um den es sich handelt, vorzulegen. Von meinem Krankenzimmer aus kann
ich es hier nur kurz thun, selbst wenn nach meinem Auszuge aus meiner vormaligen Amtswohnung,
meine Privat-Bibliothek aufgepackt
wäre, die einstweilen unzugänglich ist. Ich habe nicht einmal die längeren Mittheilungen
über die Discussion in unserer deutschen Zeitung lesen können, und aus der L.S. ist
mir bisher Nichts über die Verhandlungen zugegangen.
Zunächst drücke ich mein Mitleid aus darüber, dass ein anspruchsloser Privatforscher,
isolirt dastehend im fernen Ausland, nicht mehr gütige Rücksicht von der L.S. oder
vielmehr einigen ihrer Mitglieder genoss, selbst wenn Ihre Untersuchungen nicht von
der hohen Wichtigkeit wären, welche jeder Gerechte denselben zuschreiben wird. Ich
kann es so recht empfinden, wie Sie ohne Rath oder Mithilfe sich haben abquälen müssen,
und Sie, Bester, werden auch recht klar bei einer solchen Gelegenheit eingesehen haben,
mit welchen Schwierigkeiten ich allein stehend zu kämpfen hatte, ohne Museum oder
zulängliche Bibliotheken. Hätte ich nicht meine ganzen Privatmittel dem Herbeischaffen
der Hilfsmittel für meine Studien geopfert, meine Untersuchungen hätten hier auch
keine Selbstständigkeit annehmen können. Übrigens handelt es sich ja in Ihrer Schrift
nicht um naturgeschichtliche Einzelheiten eines thierischen oder pflanzlichen Parasiten,
sondern einfach um die Frage nach der Ursache und Bekämpfung dieser Getreide-Fäule,
und diese Frage haben Sie genügend, ja glänzend gelöst.
Dann schuldige ich es Ihnen nun, auseinanderzusetzen, warum ich den Pilz, über den
Sie vor einigen Jahren Auskunft wünschten, die Bezeichnung gab, welche Sie für Ihr
Werk annahmen. Der Pilz selbst ist mir nur aus Ihrer Zeichnung bekannt, die aber für
die annähernde Kunde vollständig genügt. Man schickte mir hier zu verschiedenen Zeiten
Getreideproben, an denen sich der Pilz finden sollte, indessen er war aus solchen
nicht heraus zu präpariren, und von Ihnen selbst habe ich keine Präparate gehabt.
Um Ihnen einigermassen einstweilen auf Ihre Anfrage gerecht zu werden, verglich ich
Ihre Zeichnung mit den Diagnosen oder Illustrationen solcher Pilze, welche mir hier
zur Hand waren und glaubte, dass selbiger in das Genus Xenodochus gestellt werden
müsse, wie solches jetzt im weiteren Sinne von Dr. Rabenhorst aufgefasst wird. Es
war mir freilich wohl bekannt, dass die von Ihnen gezeichnete Pflanze merklich von
dem ursprünglichen
, des Dr. von Schlechtendal abweiche, nicht nur in der Art des Vorkommens, (die bei
X. carbonarius auf den Blättern von Sanguisorbeen-Arten ist,) sondern auch in einigen
Structur-Verhältnissen. Dann müssen wir aber bedenken, dass wir die Metamorphose sehr
vieler Faden- und Staubpilze noch gar nicht kennen. Hat doch der geniale und beharrliche
Dr. de Bary erst vor wenigen Jahren nachgewiesen, dass die seit 3000 Jahren als Getreide-Rost
bekannte
in Aecidium Stadien, die sich auf Laubsträuchern entwickeln, übergehe. So ist ja
auch manches Oïdium nur ein Stadium von
-Arten. Um Ihnen aber darzuthun, dass der Pilz der Wurzelfäule sich gar sehr mit dem
der Holzfäule mancher Coniferen vergleichen und, wie ich es gethan, generisch zusammenfassen
lasse, lege ich Ihnen eine Abzeichnung des
aus einem von Professor Willkomm's Werken vor, so dass Sie unabhängig selbst urtheilen
können. Es war fern von mir, über diesen Pilz anders als vorläufig und andeutend zu
sprechen, denn ich habe ja keine Original-Exemplare selbst untersuchen können. Dann
müsste ich auch mehrere hundert £ aus meinem Gehalte speciell für mycologische Werke
aufopfern, um eine Untersuchung dieser Art durchgreifend durchzuführen. Ich habe nahe
an tausend £ aus meinen Privatmitteln für wissenschaftliche Werke geopfert, konnte
solche Mittel aber nicht auf eine blosse Abtheilung der wissenschaftlichen Literatur
verwenden, als die der Mycologie. Ich füge dies nur an, damit Sie, Bester, sehen mögen,
dass ich trotz meiner enormen und ruinirenden Privat-Aufopferungen in manchen Fällen
etwa so hilflos dastehe, wie Sie selbst. Nun kommt noch dazu, dass die Pilze erst
in dem letzten Band, also dem 9. der Flora Australiens, behandelt werden sollen. Daher
habe ich das eingehende Studium derselben und den Kauf der nöthigen Werke bis zu der
Zeit des neunten Bandes verschoben. Uebrigens sind die grössten Kenner nicht immer
einmal mit jedem Theil der Literatur versehen. Sogar mein ehrwürdiger greiser Freund,
der Prof. M. I. Buckeley, musste
von der Willkomm's Abhandlung, von welcher ich Ihnen der bezügliche Auszug und die
dahin gehörende Abzeichnung mache, über Xenodus ligniperda nichts, und fragte deshalb
bei mir vor. Der edle Mann, trotz seines grossartigen meisterhaften Wirkens seit vierzig
Jahren, fast ausschliesslich zwischen den Pilzen, kann auch nicht gerade jeder Abhandlung
Herr werden. Was eine etwaige Unvollständigkeit oder theilweise Ungenauigkeit Ihrer
Zeichnungen anlangt, so können Sie sich trösten, wenn Sie bedenken, dass selbst unser
grosser Freund Prof. Ehrenberg in mehreren Desmidiaceen Organe beschrieb, die aus
Täuschung entsprangen.
Mein Unwohlsein erlaubt es nicht, weiter in die Sache gerade jetzt einzugehen. Wenn
Sie aber den Gegenstand irgendwie weiter mit mir besprechen wollen, so will ich gern
irgend eine Frage von Ihnen, soweit ich's vermag, beantworten.
Dass fast endlose Irrthümer aufzuklären sind, selbst grosser Meister, ist mir in der
letzten Woche erst recht klar geworden, wie ich die Familie der Restiaceen für den
7. Band der Flora bearbeitete. Ich werde Ihnen den Druck meiner Abhandlung alsbald
vorlegen.
Mit ehrender Ergebenheit und dankbarer Erinnerung
Ihr
Ferd. von Müller.
Millswyn Street, South Yarra,
26 August 1873.
Once I became aware, noble friend, that your important essay on a form of root rot
in cereal crops gave rise to expressions of various differences of opinion in the
L. S.,
I considered it my duty to place before you forthwith a few explanations about the
fungus concerned. I can only do so very briefly from my sickbed here, even if my private
library, which is currently inaccessible, were unpacked since my move from my former
official residence.
I have not even been able to look at the lengthy communications about the discussion
in our German newspaper, and I have not yet received any of the Proceedings from the
Linnean Society.
To start with I want to express my sympathy that a modest private researcher, standing
in isolation in a far-away foreign country, did not receive kinder consideration from
the L. S., or rather from some of its members, even were your researches not of such
great importance, something every just person must grant them. I can really feel with
you, how you had to exert yourself without advice or assistance. And in such a situation,
dear Sir, you will have been able to realise very clearly against what difficulties
I had to fight, standing alone, without museum or adequate libraries. Had I not sacrificed
all my whole private means for the acquisition of the resource materials necessary
to my studies, my researches could not have gained any independent standing. By the
way, in your essay you do not deal with the scientific details of an animal or plant
parasite, but simply with an inquiry into the cause and control of this grain rot,
and you have addressed this question adequately, even brilliantly.
Therefore I now owe it to you to explain why I gave to the fungus on which you requested
information some years ago the name that you used in your work. The fungus is known
to me only from your drawing which, however, is completely adequate for comparative
purposes. I was sent cereal samples at various times that were supposed to have been
infested with the fungus, but I was unable to obtain preparations of it from them
and I did not have any preparations from you personally. To do at least some justice
to your request in the interim, I compared your drawing with diagnoses or illustrations
of such fungi as I had available to me here and believed that it should be placed
in the genus Xenodochus as it is understood in a wider sense by Dr Rabenhorst. I was of course well aware,
that the plant drawn by you differed markedly from the original
of Dr von Schlechtendal, not only in the manner of its occurrence (which in X. carbonarius is on the leaves of
species), but also in some of its structural arrangements. At the same time we must
also consider that we do not yet know the metamorphosis of many thread and dust fungi.
The brilliant and persistent de Bary was able to prove only a few years ago that
, known for 3000 years as cereal rust, transfers to deciduous shrubs in its Aecidium stage. Thus many an
is only a stage of an
species. But to demonstrate to you, that the fungus causing root rot compares very
well with that of the wood rot of many conifer species and can be combined with it
on a generic level as I have done, I enclose a copied drawing of
from Professor Willkomm's publications,
so that you may be able to judge independently for yourself. I had no intention to
comment on this fungus other than to give some indication in the interim, as I was
unable to examine authentic samples myself. Then I would have to sacrifice several
hundred £ from my salary specifically for mycological publications, to undertake research
of this kind effectively. I have sacrificed close to a thousand £ out of my private
means for scientific publications, but was unable to spend such sums on just one field
of scientific literature such as mycology. I add this only so that you may see, dear
Sir, that in spite of my enormous and ruinous private sacrifices I am often left just
as helpless as you yourself are. Added to this is the circumstance that the fungi
will be dealt with only in the last, that is the 9th volume, of the Flora of Australia.
For that reason I have delayed their intensive study and the purchase of the necessary
literature until the 9th volume.
By the way, even the greatest experts do not always possess all the literature in
all fields. Even my venerable old friend Professor M. I. Buckeley
did not know of Willkomm's publication on
from which I copied the relevant extract and drawing for you, and enquired about
it from me.
The noble man, in spite of his superb and masterful work almost exclusively on fungi
for forty years, is not able to have every publication at his command. As far as any
possible deficiency or partial inaccuracy in your drawing is concerned, you may console
yourself by remembering that even our great friend Professor Ehrenberg described organs
in several
species that were based on error.
My illness does not permit me to pursue the matter further just now, but if you wish
to discuss the subject further with me, I shall gladly answer any questions you may
have to the best of my ability.
I became very much aware, just in the last week, that almost endless errors, even
from great masters, need to be cleared up, when I worked on the family
for the 7th volume of the Flora.
I shall present a copy of my publication to you soon.
With respectful devotion and grateful remembrance
your
Ferd. von Mueller.