Melbourne im bot. Garten
am 3 März 1968.
Die letzte Post brachte mir abermals einen herrlichen Brief von Ihnen, erhabener Freund,
u o! wie erfreuete es mich, Ihnen ins Antlitz schauen zu können, wie ich Ihr edles
Bild empfing. Zwar hängt Ihr schönes grosses Portrait in meinem Studienzimmer und
die geistreich-gedankenvollen Züge mahnen mich, nicht lässig zu werden auf der Bahn
des Forschens in der grossen Natur, in welcher der ewig göttliche Ausdruck verliehen.
Nun aber habe ich Sie freundlich herblickend aus erst jüngsten vergangenen Tagen!
Das ist doch so schön.
Ein heilger Schauer durchrieselt den Sterblichen beim Hinblick auf höhere Gewalten,
die uns vorempfinden lassen das einstige Freisein des Geistes von irdischen Hüllen!
Ja, edler Mann, an dem Tage, an welchem Sie den fernen Fremdling werth hielten Ihrer
geistigen Erfassung, gedachte ich auch Ihrer, wie ich die Granitgipfel des malerisch-wilden
Porongorup erstieg und inmitten einer unbeschreiblich schönen Pflanzen[mengung] nordwärts
auf die stolzen aufgethürmten Felsmassen des hohen Stirlingsgebirges hinblickte und
südwärts hinschauend auf die liebliche Bai des Königs-Georgs Sund und weiterhin auf
den südlichen Ocean. Der Tag war so schön, die Lüfte wehten so rein, das bunte Pflanzengedränge
war so ergötzend, der Himmel so klar und dem Geiste wars als sei er frei von irdischer
Hülle. Da gedachte ich auch
Ihrer
, edler Mann, u im Geiste erregte sich ein unnennbarer Wunsch, dass Sie neben mir
sein u mich über das Wunderwirken der Schöpfung belehren möchten. Auch Schiller empfand
in diesem freien Geistesschwung, wie er die denkwürdigsten seiner Worte schrieb, die
ihn ein höheres geistiges Leben schon hier ahnen liessen.
Als am Weihnachtsabend, dem Abend welcher dem Teutonier so erhebend über alles feierlich
ist, als an diesem Abend ich vereinsamt dasass unter einem
Baum, den eine früh dahin geschiedene herrliche Schwester aus Samen erzog und nach
ihrem Tode an mich übersenden liess, da fragte ich nicht ohne Thränen, ob die, welche
wir hier so tief geliebt und die vor uns in die Ewigkeit schieden auch unserer liebevoll
gedächte[n] in anderen Welten u auf unsere irdische Laufbahn wohl einen höheren leitenden
Einfluss ausübten. Ich blickte auf den besternten Himmel, auf die goldnen Lichter
vom südlichen Kreuz, u fühlte es müsse so sein! — Es war an jenem Abend, wie mich
der edle Herrscher Würtembergs
unter die Ritter seiner königl Krone aufnahm u. mich adelte! —
Der armen Gemahlin des Dr. Bayer entbot ich Ihren theilnehmenden Gruss, wie Sie ihn
so fühlend in dem jüngst angelangten Schreiben ausdrückten. Mag die Arme in der Erziehung
ihrer Kinder Trost u. Geistesfrieden suchen. — Sie möchten mir so gütig ein häusliches
Glück heraufbeschwören, nach dem ich in früheren Jahren mich wohl sehnte, und welches,
selbst nachdem ich den Zenith des Lebens überschritten, noch aus jugendlicher
deutscher
Grazie, die über Alles steht, mir erblühen möchte. Indessen inmitten des Gewoges
eines regen Lebens in einer schnell schaffenden jungen Colonie, wo eine Arbeit u Obliegenheit
fast die andere überstürzt, flossen die Jahre der Jugend dahin wie im Traum, u selbst
jetzt weiss ich nicht einmal, ob ich nicht in wenigen Monaten als Befehlshaber die
Aufsuchungs Expedition zu leiten habe, welche auf Leichhardts Geschick Licht werfen
und den grossen Westen des Austral-Continentes aufschliessen soll. Ich bin wohl der
Einzige, der das Glück dieses Feldzugs für Wissen u Barmherzigkleit zu wenden vermag,
u dann liegt noch darin für mich ein hoher Reiz, dass ich die Verbreitungsgrade der
Vegetation von West nach Ost u von Süd nach Nord näher zu bestimmen vermöchte u zum
weitern Schluss längerer Arbeiten die geologischen Verhältnisse mit den entsprechenden
Pflanzen Formen verknüpfen könnte. Entweder ich müsste diesen Plan einer 2jährigen
Forschungsreise, der indessen einstweilen Geheimniss bleiben muss, aufgeben oder ich
müsste ein armes aufopferndes Wesen sich abhärmend zurücklasssen um vielleicht auf
Immer von ihr zu scheiden.
Überaus gern entspreche ich Ihrem Wunsche, in einer Reihe Briefen die auffallendsten
Bilder unserer Natur zu entfalten. Dafür habe ich ja in Humboldts Ansichten der Natur
und in Ihren "Reisen" vortreffliche Vorbilder. Indessen Sie möchten mir wohl freundlich
etwas Frist gönnen, denn ich habe Bentham das letzte Material für den 4ten Band der
Flora Australiens zu liefern und demnächst den 6ten Band der Fragmenta zu schliessen,
für solche Schilderungen habe ich manches Material in meinen unveröffentlichten Reisenotizen.
Mit dem Schiffe "Great Britain" sende ich innerhalb der nächsten Tage eine Sendung,
welcher dann auch die Palmen Australiens, wenige wie es sind, und einige unserer Alpenpflanzen
beigegeben werden sollen. Auch meine einfache Photographie folgt demnächst und eine
recht gute neue Generalkarte Australiens.
Prinz Alfred während seines Besuchs liess sich herab eine Saxono-Gothaea conspicua
u Abies Albertiana in meinem Garten zu pflanzen. Dies erinnert mich daran dass das
Pflanzen Genus
, das seiner Fregatte gleichnamig ist, von Herbert unrichtig geschrieben wurde, da
es der Nereide γαλατεια gewidmet ist.
Ihr inhaltsvoller Brief vom 18 Aug., den ich nach meiner Rückkehr aus Westaustralien
zu empfangen das Glück hatte, ist ein Document von viel zu hoher Wichtigkeit, um im
Strudel der auf mich damals hereinbrechenden Amtsarbeiten von mir, selbst wenn ichs
vermöchte, so besprochen zu werden, als es die Tiefe der grossen Wahrheiten erfordert.
Inmitten des Scepticismus der Jetztzeit ist es beruhigend für das Gemüth, wenn auf
dem Todtenbette Goodsir erklärt, dass derjenige kein wahrer Anatom sei, der an die
Möglichkeit von organischen Verwandlungen denke. An Pfeiler solcher Grösse mag der
Schwankende sich anklammern. Und dass Sie, der Hervorragende unter den Naturweisen,
auch höhern Idealen anhängen, und ein unabhängiges geistiges Leben, das nicht nach
Gesetzen menschlichen Wissen erforscht werden kann, anerkennen, hat für mich etwas
stärkend-Ermuthigendes. Bis jetzt ist noch nichts in dem Erforschungsprojekte der
Osterinseln gethan. Indessen schreibe ich heute umständlich an Sir Henry Barkly u
gebe Seiner Excellenz alle die Punkte an, auf welche Sie vorzugsweise wünschen, dass
Rücksicht genommen werde
Sie lenken meine Aufmerksamkeit auf gewisse Verhältnisse der trockenfrüchtigen Myrtaceen.
Sind nicht solche auch im Wiener Becken im Tertiar Sediment begraben gefunden? Dann
bin ich überzeugt, dass in manchen Ländern, wie in Neu Zealand, wir zwei oder mehr
Perioden der Schöpfungsentwicklung annehmen müssen, der einen gehören hauptsächlich
die Pflanzen der Alpenregionen dort an, die vielfach mit denen Australiens übereinstimmen,
während die Baumvegetation des Flachlands die Trümmer zu sein scheinen des Pflanzenlebens
eines grossen Continents, Trümmer welche nur in Neuseeland übrig blieben u. anderswo
versunken im Ocean einst wieder bei vulkanischen Erhebungen als fossile Gebilde zu
Tage gefördert werden mögen.
Ich kann nicht ohne Rührung meinen Dank ausdrücken, dass Sie Ihr edles Augenlicht
schwächen um an den jüngern Entferntstehenden zu schreiben u in den Dank muss ich
den an Ihre vortreffliche Tochter einschliessen, die Ihnen so freundlich sorgsam u
kenntnissreich zur Seite steht. Gott erhalte Sie, Edler, das ist der innige Wunsch
Ihres
Ferd von Mueller
Mit dem edlen Grafen Castelnau stehe ich in beständigem Verkehr. Er hat eben eine
lange Reihe von neuen theils von mir gelieferten Käfern beschrieben.
Zwar habe ich manche Ihrer Denkreden, aber nicht alle. Sie sind so wundersam dichterisch
u ergreifend, dass ich das gesammelte Ganze überaus schätzen würde. Dr Sonder vermittelt
stets am Besten die Versendung.
Als Wink möchte es Prof Wittstein für sein Wörterbuch neben dem passus über
willkommen sein zu wissen, dass Herr Baron v. Huegel, wie er mich brieflich belehrt
das Genus
der Fürstin Maria Melanie v. Metternich widmete.
Melbourne Botanic Garden,
3 March 1868.
The last mail brought once more a wonderful letter from you,
illustrious friend. O! how delighted I was to be able to gaze into your face, when
I received your noble picture.
Indeed, your beautiful large portrait hangs in my study, and your intelligent thoughtful
features exhort me, not to become idle on the path to investigate nature, which bears
the eternal divine imprint. But now I also have you from only just recent times, benignly
looking down on me. That is so lovely.
A shiver of sacred awe pervades the mortal at the sight of higher powers, giving us
an anticipation of the freedom of the spirit from earthly bonds! Yes, noble Sir, on
the day you considered the distant stranger worthy of your intellectual acceptance
I, too, was thinking of you as I climbed the granite summits of the wild, picturesque
Porongorup Ranges,
and in the midst of an indescribably beautiful variety of plants looked to the north
to the proudly towering rock formations of the lofty Stirling Ranges, and gazed south
on the lovely bay of the King George Sound and further out to the southern ocean.
The day was so beautiful, the air so pure, the colourful display of massed plants
so delightful, the sky so clear, and the spirit felt as if it had been freed from
its earthly frame. And there I also thought of
you
, noble Sir, and an inexpressible desire stirred in my soul for you to be beside me
to instruct me on the wondrous workings of creation. Schiller, too, felt this free
soaring of the spirit, when he wrote his most memorable words, that gave him already
here a presentiment of a higher spiritual life.
When on Christmas Eve, the evening that is so uplifting and solemn more than any other
to a German, when on this evening I sat, lonely, under a
tree, which a wonderful, early departed sister
raised from seed and had sent to me after her death, I asked not without tears, whether
those we have loved so deeply and who have passed into eternity before us also remember
us lovingly in other worlds and exercise a guiding influence over the course of our
earthly sojourn. I looked up at the starry sky, at the golden lights of the Southern
Cross, and felt it had to be thus! It was on that evening, that the noble Sovereign
of Württemberg elevated me as one of the Knights of his Royal Crown, and raised me
to nobility!
I passed on your condolences to the poor widow of Dr Bayer, as you expressed them
with so much sympathy in your recently arrived letter.
May the poor lady find consolation and peace of mind in the raising of her children.
— You are trying so kindly to conjure up domestic bliss for me, for which I longed
in younger years, it is true, and which might yet flourish for me even now that I
am past the zenith of my life, from youthful
German
grace that surpasses everything.
However, in the midst of the surge of a busy life in a fast growing young colony,
where one labour and responsibility almost precipitates another, the years of my youth
were swept away like a dream, and even now I do not yet know, if in a few months I
may not have to lead as commander the search expedition, that is to throw light on
Leichhardt's fate and open up the great West of the Australian continent.
I am probably the only one, who can still change the fortunes of this campaign for
knowledge and mercy, and then there is for me the great added incentive, that I should
be able to determine more accurately the distribution of the vegetation from West
to East and from South to North, and be able to tie in with it the geological formations
with their respective plant forms for further conclusions in longer works. I would
either have to give up this plan of a 2-year exploration expedition which, however,
must remain a secret for the present, or leave behind a poor self-sacrificing being
to pine away, and perhaps part from her for ever.
I am extremely pleased to comply with your wish and display before you in a number
of letters the most conspicuous features of our environment. For that I have excellent
examples in Humboldt's
views of nature and in your
Travels
.
However, you might be so kind to grant me a little time, because I have to consign
the last of the material for the 4th volume of the Flora australiensis to Bentham, and shortly to conclude the 6th volume of my Fragmenta. I have much in my unpublished travel diaries for such accounts.
Within the next few days I am sending a consignment with the ship Great Britain, to which are to be added the Australian palms, few as they are, and some of our
alpine plants. My simple photograph is also to follow soon and a very good general
map of Australia.
During his visit here Prince Alfred condescended to plant a Saxono-Gothaea conspicua
and an
in my Garden. That reminds me, that the plant genus
, which bears the same name as his frigate, was spelled incorrectly by Herbert, as
it is dedicated to the nereid γαλατεια.
Your news-rich letter of 18 August 1867,
which I was pleased to receive after my return from Western Australia, is far too
significant a document, for me to have discussed it, — even if I were able to, — in
such a way in the rush of official labours which at that time overwhelmed me, as the depth of the great truths demanded. In the midst of the scepticism of the present
time it is reassuring for the spirit, when on his deathbed Goodsir declares, that
anybody who even thinks of the possibility of organic transmutation is not a true
anatomist. The wavering may cling to pillars of such greatness. And that you, who
are prominent among the wise men of natural science, also adhere to higher ideals,
and acknowledge an independent spiritual life that can not be explored according to
the laws of human knowledge, is fortifying and encouraging for me. Nothing has as
yet been done about the project to explore the Easter Islands. However, I am going
to write in detail to Sir Henry Barkly today,
and shall enumerate to His Excellency all those points, to which you wish to be given
preferential consideration.
You direct my attention to certain conditions in the dry fruiting
. Have not such been found also in the Viennese basin buried in tertiary sediments?
Furthermore, I am convinced, that in many countries, like New Zealand, we must assume
two or more periods in the development of creation; to one belong mainly the plants
of the alpine regions there, that frequently agree with those of Australia, while
the tree vegetation of the plains appear to be the remnants of the vegetation of a
large continent, remnants which have survived only in New Zealand, but have sunk into
the ocean elsewhere, to be at times brought up again to the light of day in fossil
form during volcanic eruptions.
I can not express my gratitude without feeling deeply touched, that you weakened your
noble eyesight to write to the young far distant man, and I have to include in my
thanks that to your excellent daughter, who stands by you with so much caring kindness
and knowledge. May God keep you, noble Sir! That is the sincere wish of
your
Ferd. von Mueller.
I am in constant communication with the noble Count Castelnau. He has just described
a long series of new beetles, in part furnished by me.
I have, indeed, many of your memorial speeches, but not all of them. They are so wonderfully
poetic and gripping, that I should greatly value the whole collection.
Dr Sonder is always the one to best facilitate the transmission.
Apart from the passage about
it might also be a welcome hint to Professor Wittstein for his dictionary,
that Baron von Huegel, as he informed me by letter,
dedicated the genus
to Princess Maria Melanie von Metternich.