Melbourne im botanischen Garten,
am 29. Januar 1867.
Excellenz!
Vor wenigen Tagen wurde ich aufs Angenehmste dadurch überrascht, dass ich Mrs Smillie
wieder in diesem Lande sah, eine Überraschung die um so grösser war, als ich nicht
einmal von der Absicht dieser Dame wusste, zu uns in den Süden zurückzukehren. Meine
leidende Schwester, seitdem dahin geschieden, hatte eine höchst-gütige Aufnahme im
Smillie'schen Hause in Süd-Australien, u das hat in mir eine dankbare Erinnerung an
die Familie wach gehalten. Bei meinem Besuch zu der Mad. Smillie, welche gerade jetzt
ihren Aufenthalt bei einer Schwester hat, wurde Ihrer, Herr Baron, sogleich gedacht,
u. es war für mich ein glücklicher Augenblick in deutscher Sprache von den Töchtern
der Dame meine Aufmerksamkeit auf ein Bild Ihrer Exzellenz hingelenkt zu sehen, ein
Bild das ich mit Verehrung betrachtete u auf das Ihre Verwandten wahrhaft stolz sind.
Ich erbat mir die Erlaubniss einem Briefe an Sie einige Worte beifügen zu dürfen.
Ich fühlte den Drang, Herr Baron, Ihnen zu sagen, dass während der Jahre 1840-46 mich
die Schilderungen der Vegetations Australiens von Ihnen so erregten zu einer Zeit,
wie ich die phytologische Untersuchung des südwestlichen Schleswig kaum den Knabenjahren
entwachsen vornahm, dass ich mich im Jahr 1847 diesem südlichen Continente zuwandte,
wie ich ein wärmeres Klima für die Schwester zu suchen hatte. Sie, Exzellenz, haben
mich daher hier in meine Bahn gezogen, nachdem die geistreichen u anmuthigen Ergüsse
von dem grossen Humboldt, von meinem edlen Freunde v. Martius u von Darwin, dem ich
mit Schmerz in seiner Transmutations Theorie entgegengetreten, mich zum Forschen in
entlegnen Weltgegenden begeistert hatten.
Ihre
Schriften, Exzellenz, gaben die Entscheidung! Es wurde nun mein Lebensplan ein Universalwerk
über die Pflanzen Australiens (das freilich nicht einmal Europa besitzt) zu entwerfen
u nachdem ich 25000 Meilen für diesen Zweck hier reiste u die grösste Pflanzensammlung
der Erde in Bezug auf Australien zusammen brachte (etwa 160,000 Pflanzen), ist es
möglich geworden eine Reihe unabhängiger Bände hier zu veröffentlichen u mit unserem
gemeinsamen Freunde Bentham verbunden die "Flora Australiens" zu liefern.
Ich glaubte, edler Mann, diese Mittheilung möge Ihnen eine Stunde grosser Genugthuung
bereiten, wenn
Sie
auf jene Zeit der Mühen zurückblicken, wie Sie in aufopferndem geistigen Schwunge
den Gefahren u Beschwerden in diesem Erdtheil entgegen gingen, zu einer Zeit wie ich
ein ganz kleiner Knabe war, bald nachher ein armes Waisenkind.
Seit 1847 habe ich Ihre enumeratio in fast täglichen Gelegenheiten berathen und wie
hat sich seit jener Zeit unsere Kenntniss des Australlandes erweitert! Selbst helfend
stets seit jener Zeit wie hat sich die Landkarte Australiens ausgefüllt! Ihr liebliches
Genus
umfasst jetzt 17 Arten u. Ihre
, der ich zuerst die Stellung unter den Molugineen zuwiess, hat jetzt auch ihre Vertreterin
in einer östlichen Art, meiner
Neo-Cambrica, die ich im 5. Bande meiner Fragmenta phytographiae Australiae beschrieben habe.
Es ist indessen nicht meine Absicht, verehrter Herr Baron, als Eindringling zu erscheinen
u so in Einzelnes einzugehen. Es war nur mein Wunsch, Ihnen den Gruss tiefster Demuth-vollster
Ergebenheit darzubringen u daran den Wunsch zu knüpfen, dass es mir gestattet sei,
die Tage, die schönen Herbsttage eines thatenvollen u. ehrenreichen Lebens durch das
gelegentliche Einstreuen von ein paar Blumen verschönen zu dürfen. Kann ich dies,
o! so gebieten Sie, edler Herr, unzögernd über meine Dienste.
In tiefster Ehrerbietung
der Ihre
Ferd. Mueller
Melbourne Botanic Garden,
29 January 1867.
Excellency,
A few days ago I was most pleasantly surprised to see Mrs Smillie back once more in
this country, a surprise that was all the greater, as I had not known even of the
intention of this lady to return to us here in the South. My suffering sister, since
departed,
found a most kind reception in the Smillie household in South Australia, and because
of this I remember the family with gratitude. During my visit with Mad. Smillie, who
is at the moment staying with a sister, we immediately thought of you, Baron, and
it was a happy moment for me, to have my attention drawn in the German language by
the lady's daughters to a picture of Your Excellency, a picture, on which I gazed
with veneration and of which your relatives are truly proud. I asked for permission,
that I might add a few words to a letter to you. I feel compelled, dear Baron, to
tell you that during the years 1840-46 the descriptions of the Australian vegetation
by you
excited me so much at a time when, barely past boyhood, I undertook the phytological
exploration of south-western Schleswig, that in 1847 I turned towards this southern
continent, when I had to find a warmer climate for my sister.
You, Excellency, have therefore drawn me here into my path, after the ingenious and
charming outpourings of the great Humboldt, of my noble friend von Martius, and of
Darwin,
whom I opposed with sadness in his transmutation theory, had enthused me to explore
distant parts of the world.
Your
writings, Excellency, were the deciding factor! It now became my life's plan, to
draw up a universal work on the plants of Australia, and after having travelled over
25,000 miles here for this purpose and brought together the largest collection of
plants in the world as regards Australia (approximately 160,000 plants), it has become
possible to publish a number of independent volumes here and, combined with our mutual
friend Bentham, to deliver the Flora of Australia.
I thought, noble Sir, these communications might give
you
an hour's gratification, when you look back on that time of toil, when
you
went out to meet the dangers and difficulties in this continent
with dedicated mental ardour at a time, when I still was a very small boy, and soon
afterwards a poor orphan.
Since 1847 I consulted your Enumeratio on an almost daily basis,
and how has our knowledge of Australia expanded since that time! — and how the map
of Australia has been filled in since that time, always without assistance! Your lovely
genus
now comprises 17 species, and I was the first to place your
among the
, where it now has a representative in an eastern species, my
neo-cambrica, which I described in the fifth volume of my Fragmenta phytographiae Australiae.
It is, however, not my intention, esteemed Baron, to appear as an intruder and go
into detail. It was only my desire, to offer you a greeting with my most humble devotion,
and to attach to it the wish, that I may be permitted to embellish the days, the beautiful
autumn days of an active and honourable life by the occasional scattering of a few
flowers. May I do so, O noble Sir, command my services without hesitation.
With deepest respect
your
Ferd. Mueller.