Melbourne im botanischen Garten,
am 25 Mai 1865.
Verehrter Herr Baron.
Ihre Freundin Madame Eliza King hat vor Kurzem mir Ihre erfreuliche Nachricht über
Herrn Dr Neumayer mitgetheilt, welche mich ebenso angenehm berührte in der Wahrnehmung
der Anerkennung dieses wissenschaftlich strebsamen Mannes als in der Freundlichkeit
mit welcher Sie sich meiner erinnern.
Gewiss werden Sie das Unternehmen der Damen unseres Staates, den armen Leichhardt
aufsuchen zu lassen, mit Theilnahme verfolgen. Innerhalb der nächsten Wochen werden
£1000 für den Zweck gesammelt sein u mehrere der Regierungen Australiens haben bereits
ihre Beihülfe zugesagt. Die freundliche Begutachtung von hochstehenden Männer der
Wissenschaft in Europa ist für das Gelingen des Unternehmens von Wichtigkeit um unsere
Colonisten zur thatsächlichen Unterstützung dieser schönen Sache anzuspornen. Die
Damen nach eignem Erachten haben sich auch an die Königin Victoria, u an die Prinzessin
von Wales gewandt Hülfe erbittend, auch an die Princessin von Preussen, da Leichhardt
diesem Lande angehörte. Je grösser die Beiträge sind um so versprechender können die
Mittel für dies Unternehmen gewählt und um so länger dasselbe ausgedehnt werden. Es
ist keinem Zweifel unterworfen, dass das Schicksal Leichhardts erkundet werden wird
durch diese Bewegung der hochherzigen Damen; es hängt aber von den Mahnungen hochstehender
Männer und von den daraus erwachsenden Hülfsmitteln ab, ob die Such-Parthie, Duncan
M'Intyre wird wahrscheinlich Führer sein alsbald ins Feld ziehn kann. Vermuthlich
aber wird diese Expedition gerade das vollbringen, was der arme Verlorene beabsichtigte,
nämlich das grosse Innere der westlichen Hälfte Australiens aufzuschliessen.
In einer Vorlesung, die ich vor der Ackerbau-Gesellschaft von Bendigo über Uredo Rubigo
hielt, erörterte ich, wieviel Vortheil daraus erwachsen würde, wenn hier in Melbourne
eine Professur für technologische u Agricultur-Chemie begründet würde. Ich wies darauf
hin, wie die Landbauer hier aller wissenschaftlichen Kunde bar einen Raubbau betreiben,
wie fast alle fertilisirenden Substanzen vergeudet werden, u wie jeder über die Bestandtheile
des Landes seines Landhofes im Dunkeln tappt. Ich deutete ferner an, wie in unsern
ungeheuren
Wäldern Öle, Essige, Theer, Alkalien, usw in absolut unglaublichen Massen gewonnen
werden könnten, u wie sehr es bedürfe, einen Mann hierher zu rufen, der dieser reichen
Ertragsquelle seine
specielle
Thätigkeit zuwenden könne, u dazu die nothwendigen neuesten Erfahrungen über Processe
u Apparate mitbrächte. Ich sollte glauben, dass eine briefliche Demonstration von
Ihnen, der über alle Autorität ausübt, eine solche Anstellung hervorrufen würde. Eine
Auseinandersetzung von Ihnen über diesen Gegenstand hätte ich so gern dem Senat unserer
Universität u unserm Ministerium vorgelegt. Vielleicht könnten Sie, Herr Baron, später,
wenn die Stellung begründet, unter den jungen hervorragenden Talenten Europas den
ausgezeichnetsten Mann für die Professur erwählen. Ich denke dass ihm das Einkommen von £1000 fürs Jahr gesichert
werden könne, theils von der Universität u theils vom Board of Agriculture, an dem
ich einen Sitz habe.
Mit innigstem Wunsche, dass Sie uns lange als Stolz der Wissenschaft erhalten bleiben
mögen, bin ich der Ihre
Ferd. Mueller.
Herrn Freiherrn Justus v. Liebig,
Commandeur u Ritter hoher Orden
usw.
Wenn ein gedrängter Auszug aus Ihren vortrefflichen Letters of modern Agriculture,
transl. by Dr Blyth veröffentlicht würde, so etwa dass die Kosten des Exemplars 2/
betrügen, Tausende von Tausenden von solchen könnten dann verkauft werden über die
ganze Erde u welcher ausgedehnte Nutzen würde nicht dadurch entstehen!
Melbourne Botanic Garden
25 May 1865.
Revered Baron,
Your friend Madame Eliza King
passed on to me recently your pleasing news about Dr Neumayer, and I was touched
as pleasantly by the intelligence of the recognition received by this scientifically
ambitious gentleman,
as by the kindliness with which you remembered me.
You will be sure to follow with interest the enterprise by the ladies of our State
to search for poor Leichhardt. Within the next few weeks £1,000 will have been collected
for this purpose, and several Australian Governments have already pledged their support.
The sympathetic appraisal by eminent men of science in Europe is important for the
success of the enterprise, to spur on our colonists to give real support to this fine
endeavour. The ladies, by their own decision, have also approached Queen Victoria
and the Princess of Wales with a request for help, also the Princess of Prussia, as
Leichhardt was a native of that country.
The larger the contributions, the more auspicious are the means that can be chosen
for this undertaking, and the longer can be its duration. There is no doubt that Leichhardt's
fate will be discovered by this movement of the high-minded ladies; but it depends
on the exhortations of eminent men and the resulting resources, whether the search
party — Duncan McIntyre will probably be its leader — will be able to depart soon.
This expedition will probably succeed in precisely that which the poor lost man had
intended to do: to unlock the vast interior of the western half of Australia.
In a lecture I gave on
before the Agricultural Society of Bendigo, I discussed how great a benefit would
arise if a professorship for technological and agricultural chemistry were to be founded
here in Melbourne. I indicated how the farmers here, completely lacking any scientific
knowledge, despoil the land, how nearly all fertilizing materials are wasted, and
how everybody is in ignorance about the constituents of the soil of his property.
I pointed out further how our vast
forests could yield oils, vinegar, tars, alkaloids etc. in absolutely unbelievable
quantities, and how necessary it would be to call a man here who could turn his
specialised
ability towards this rich source of income, and in addition would bring with him
the necessary experience on the latest processes and equipment. I should think that
a written submission from you, the greatest authority, would result in the establishment
of such a position. I should very much like to have an evaluation from you on this
subject to place before the Senate of our University
and before the Ministry.
Perhaps later, dear Baron, when such a position has been founded, you could choose
for the professorship the most distinguished man among the prominent young talents
of Europe. I think that an income of £1,000 per annum could be secured for him, funded
partly by the University and partly by the Board of Agriculture, of which I am a member.
With most sincere wishes, that you may long be spared to us as the pride of science,
I am
Yours
Ferd. Mueller.
Baron Justus von Liebig,
Commander and Knight of high Orders,
etc.
If a concise extract from your excellent Letters of modern agriculture, translated by Dr Blyth,
were to be published at an approximate cost of 2 shillings per copy, thousands upon
thousands of them could be sold all over the world, and what outstanding benefits
would not be achieved by that!